Selbstportät Teil 3
Ein Schmalzbrot
Ehemalige Stallungen eines alten Bauernhauses wurden zu Wohnungen umgebaut und in so einem Gebäude wohnten wir. Unsere Wohnung war in Parterre, hatte eine Küche, ein kleines Kabinett und zwei Zimmer. Die Mauern waren fast einen Meter dick und die Fenster waren vergittert. Wir fühlten uns aber deshalb nicht wie in einem Gefängnis, da meine Mutter sie mit viel Sorgfalt und Liebe zu einem sehr wohnlichen Heim hergerichtet hatte. An den Fenstern waren Vorhänge angebracht, auf den Böden lagen Fleckerlteppiche und die Tische waren – außer dem Küchentisch - mit selbst gehäckelten Tischdecken verziert. Ich fühlte mich geborgen.
In einer Ecke der Küche war ein gemauerter Herd. Obenauf lag eine eiserne Herdplatte mit zwei Öffnungen, die mit gusseisernen Ringen abgedeckt werden konnten. Stirnseitig waren zwei Putztürl angeordnet; bei dem oberen konnte man Holz und Kohle in die Feuerstelle legen und das untere war dazu da, um die Asche ausräumen zu können.
An der linken Seite, zum Mauereck hin, war auf dem Herd ein Aufsatz vorhanden, in dem ein aus Kupfer bestehender Wasserbehälter eingemauert war. Nach vorne ragte er ein Stück aus dem Mauerwerk heraus, besaß oben einen Klappdeckel wo man Wasser nachfüllen konnte und darunter einen kleinen Wasserhahn, dort konnte das warme Wasser entnommen werden.
Unterhalb davon war ein kleiner Torbogen gemauert, dort wurde das Brennholz trocken gelagert. So wurde die geringe Energiemenge, die man mit dem kleinen Herdfeuer produzierte gut ausgenützt. Energie sparen war wichtig, aber nicht wegen einer globalen Erderwärmung, die es damals noch gar nicht gab- es gab nur wenige Autos, schon gar nicht gab es Schilifte, Schneekanonen und Veranstaltungen in der Nacht, die mit gewaltigen Scheinwerfern und mit sehr viel Energieverschwendung zum Tag ausgeleuchtet werden - sondern aus Kostengründen. Die Leute verdienten wenig, auch mein Vater verdiente nicht viel, aber er war Gott sei Dank nie arbeitslos. Hunderttausende Familienväter waren ohne Arbeit und ausgesteuert, dies bedeutete, dass sie nach ein paar Monaten Arbeitslosengeld vom Staat keine finanzielle Hilfe mehr bekamen. Woher sollte der Staat das Geld auch nehmen?
Kein Mensch kümmerte sich darum, von was diese armen Leute mit ihren Familien eigentlich lebten.
Ich kann mich als kleines Kind noch gut daran erinnern, wie an einem Vormittag bis zu zehn Erwachsene, und manchmal auch mehr, abgemagert, ausgemergelt, in Lumpen gehüllt an unsere Tür klopften und um eine kleine Gabe bettelten. Das waren kein Gesindel oder arbeitsscheue Taugenichte, sondern vom Schicksal hart getroffene Arbeiter, die ums Überleben kämpften.
Meine Mutter hatte im Sommer und im Herbst, wenn es im eigenen Garten Gemüse gab, oft einen großen Suppentopf mit Gemüsesuppe auf dem Herd stehen und gab davon den Hungernden. Manchmal konnte sie auch ein Schmalzbrot geben, wenn im Schmalztiegel genügend Schweinefett vorhanden war.
Dass dieser Schmalztiegel – es war ein kleines Fass aus gebranntem Ton – immer wieder nachgefüllt werden konnte, dafür sorgte in erster Linie mein Großvater, der ein oder zwei Schweine fütterte und darum bemüht war, sie möglichst fett zu kriegen.
Meine Mutter hatte fünf Schwestern und zwei Brüder. Den Onkel Albert und den Onkel Toni. Von beiden werde ich noch erzählen. Drei Tanten waren verheiratet und hatten viele Kinder und die Ehemänner waren allesamt arbeitslos. Die Sorgen meiner Großeltern kann man sich, so glaube ich, heute kaum vorstellen.
Wenn ein Schwein geschlachtet war, ging es in unserer Küche immer hoch her. Der Küchentisch wurde in die Mitte des Raumes gerückt; auf dem Herd, in dem das Feuer prasselte, waren zwei große Töpfe gestellt und um den Tisch herum standen mein Vater und die beiden Onkel. Sie hatten weiße Schürzen umgebunden und scharfe Messer in der Hand.
Der Schweinespeck wurde in kleine Stücke geschnitten und anschließend in den Kochtöpfen das Fett ausgelassen.
Ich saß dann meistens auf einem Hocker auf der Kohlenkiste und schaute interessieret zu. Was ich viele, viele Jahre noch im Kopf hatte war der intensive Geruch nach Fett. Es war nicht gerade die angenehmste Erinnerung.
Nach getaner Arbeit wurde das Fett und die Grammeln unter den Verwanden gerecht aufgeteilt. Der Schmalztiegel war wieder angefüllt und Fettenbrot aßen wir alle gern. Das Schweinefett wurde auch zum kochen verwendet - ausschließlich. Nach heutiger Erkenntnis nicht besonders gesund, aber so kamen wir über die Runden und wurden schließlich auch erwachsen.
Ehemalige Stallungen eines alten Bauernhauses wurden zu Wohnungen umgebaut und in so einem Gebäude wohnten wir. Unsere Wohnung war in Parterre, hatte eine Küche, ein kleines Kabinett und zwei Zimmer. Die Mauern waren fast einen Meter dick und die Fenster waren vergittert. Wir fühlten uns aber deshalb nicht wie in einem Gefängnis, da meine Mutter sie mit viel Sorgfalt und Liebe zu einem sehr wohnlichen Heim hergerichtet hatte. An den Fenstern waren Vorhänge angebracht, auf den Böden lagen Fleckerlteppiche und die Tische waren – außer dem Küchentisch - mit selbst gehäckelten Tischdecken verziert. Ich fühlte mich geborgen.
In einer Ecke der Küche war ein gemauerter Herd. Obenauf lag eine eiserne Herdplatte mit zwei Öffnungen, die mit gusseisernen Ringen abgedeckt werden konnten. Stirnseitig waren zwei Putztürl angeordnet; bei dem oberen konnte man Holz und Kohle in die Feuerstelle legen und das untere war dazu da, um die Asche ausräumen zu können.
An der linken Seite, zum Mauereck hin, war auf dem Herd ein Aufsatz vorhanden, in dem ein aus Kupfer bestehender Wasserbehälter eingemauert war. Nach vorne ragte er ein Stück aus dem Mauerwerk heraus, besaß oben einen Klappdeckel wo man Wasser nachfüllen konnte und darunter einen kleinen Wasserhahn, dort konnte das warme Wasser entnommen werden.
Unterhalb davon war ein kleiner Torbogen gemauert, dort wurde das Brennholz trocken gelagert. So wurde die geringe Energiemenge, die man mit dem kleinen Herdfeuer produzierte gut ausgenützt. Energie sparen war wichtig, aber nicht wegen einer globalen Erderwärmung, die es damals noch gar nicht gab- es gab nur wenige Autos, schon gar nicht gab es Schilifte, Schneekanonen und Veranstaltungen in der Nacht, die mit gewaltigen Scheinwerfern und mit sehr viel Energieverschwendung zum Tag ausgeleuchtet werden - sondern aus Kostengründen. Die Leute verdienten wenig, auch mein Vater verdiente nicht viel, aber er war Gott sei Dank nie arbeitslos. Hunderttausende Familienväter waren ohne Arbeit und ausgesteuert, dies bedeutete, dass sie nach ein paar Monaten Arbeitslosengeld vom Staat keine finanzielle Hilfe mehr bekamen. Woher sollte der Staat das Geld auch nehmen?
Kein Mensch kümmerte sich darum, von was diese armen Leute mit ihren Familien eigentlich lebten.
Ich kann mich als kleines Kind noch gut daran erinnern, wie an einem Vormittag bis zu zehn Erwachsene, und manchmal auch mehr, abgemagert, ausgemergelt, in Lumpen gehüllt an unsere Tür klopften und um eine kleine Gabe bettelten. Das waren kein Gesindel oder arbeitsscheue Taugenichte, sondern vom Schicksal hart getroffene Arbeiter, die ums Überleben kämpften.
Meine Mutter hatte im Sommer und im Herbst, wenn es im eigenen Garten Gemüse gab, oft einen großen Suppentopf mit Gemüsesuppe auf dem Herd stehen und gab davon den Hungernden. Manchmal konnte sie auch ein Schmalzbrot geben, wenn im Schmalztiegel genügend Schweinefett vorhanden war.
Dass dieser Schmalztiegel – es war ein kleines Fass aus gebranntem Ton – immer wieder nachgefüllt werden konnte, dafür sorgte in erster Linie mein Großvater, der ein oder zwei Schweine fütterte und darum bemüht war, sie möglichst fett zu kriegen.
Meine Mutter hatte fünf Schwestern und zwei Brüder. Den Onkel Albert und den Onkel Toni. Von beiden werde ich noch erzählen. Drei Tanten waren verheiratet und hatten viele Kinder und die Ehemänner waren allesamt arbeitslos. Die Sorgen meiner Großeltern kann man sich, so glaube ich, heute kaum vorstellen.
Wenn ein Schwein geschlachtet war, ging es in unserer Küche immer hoch her. Der Küchentisch wurde in die Mitte des Raumes gerückt; auf dem Herd, in dem das Feuer prasselte, waren zwei große Töpfe gestellt und um den Tisch herum standen mein Vater und die beiden Onkel. Sie hatten weiße Schürzen umgebunden und scharfe Messer in der Hand.
Der Schweinespeck wurde in kleine Stücke geschnitten und anschließend in den Kochtöpfen das Fett ausgelassen.
Ich saß dann meistens auf einem Hocker auf der Kohlenkiste und schaute interessieret zu. Was ich viele, viele Jahre noch im Kopf hatte war der intensive Geruch nach Fett. Es war nicht gerade die angenehmste Erinnerung.
Nach getaner Arbeit wurde das Fett und die Grammeln unter den Verwanden gerecht aufgeteilt. Der Schmalztiegel war wieder angefüllt und Fettenbrot aßen wir alle gern. Das Schweinefett wurde auch zum kochen verwendet - ausschließlich. Nach heutiger Erkenntnis nicht besonders gesund, aber so kamen wir über die Runden und wurden schließlich auch erwachsen.
schoberopa - 1. Feb, 15:00